Der Begriff des kulturellen Marxismus bezieht sich auf die Idee, dass Kultur eine Haupttriebkraft für Ungleichheit in der westlichen Welt ist. Er wurde erstmals 1973 von dem amerikanischen Soziologieprofessor Trent Schroyer geprägt und hat sich seitdem zu einer beliebten Verschwörungstheorie unter politisch konservativen Kräften entwickelt. Diese behaupten, dass die Normalisierung politischer Korrektheit in der modernen Gesellschaft ein von einflussreichen Liberalen in akademischen, künstlerischen und kulturellen Bereichen kollektiv geplotteter marxistischer Versuch ist, um westliche Traditionen und das Christentum zu untergraben.
Ursprünglich wurde der Begriff von Schroyer in Bezug auf die Frankfurter Schule der kritischen Theorie geprägt, die sich mit kultureller Kritik befasst. In den folgenden Jahrzehnten wurde seine Kritik von anderen akademischen Autoren weiter ausgebaut und von rechten Kommentatoren aufgegriffen, um sie als Kritik an liberalen Agenden und der Zerstörung des Individualismus zu verwenden. Dies führte dazu, dass der Begriff “kultureller Marxismus” zunehmend von seiner ursprünglichen Bedeutung abwich und von konservativen Denktanks und Medien aufgegriffen wurde.
Besonders in den späten 2000ern erreichte der Begriff unter amerikanischen Konservativen durch die Tea-Party-Bewegung eine neue Beliebtheit. Dies führte zu einer Flut von Meinungsartikeln und Essays, die den “kulturellen Marxismus” erklärten. Die ursprüngliche Kritik an der kritischen Theorie entwickelte sich zu einer Verschwörungstheorie, die besagte, dass die Frankfurter Schule und die kritische Theorie ein marxistischer Plan seien, um den kapitalistischen Westen von innen zu zerstören.
Im Jahr 2011 erlebte der Begriff des kulturellen Marxismus erneut eine Renaissance, als der rechtsextreme Terrorist Anders Behring Breivik in Norwegen Anschläge verübte. In seinem Manifest bezeichnete er den Islam und Multikulturalismus als Feinde der westlichen Zivilisation und verwendete den Begriff des kulturellen Marxismus. Die Theorie setzte sich auch in Online-Diskussionen auf politisch-konservativen Plattformen wie 4chan fort.