Das 12. Deutsche Jazzfestival (B. Free, 2015) ****½ ~ The Free Jazz Collective

Das 12. Deutsche Jazzfestival (B. Free, 2015) ****½ ~ The Free Jazz Collective

Während meiner Lektüre von Trevor Barres Buch über die Geschichte des Free Jazz in London, stieß ich erstmals auf Born Free – eine dreifache LP-Veröffentlichung, die das 12. Deutsche Jazzfestival in Frankfurt im Jahr 1970 dokumentiert. Das Festivalprogramm bestand fast ausschließlich aus Free Jazz und wurde von Barre als Meilenstein auf seinem Weg zum Free Jazz und Avantgarde beschrieben. Als ich mehr darüber erfahren wollte, stellte sich heraus, dass die Platte eine wahre Rarität war. Dann erschien jedoch dieses umfangreiche 9-CD-Boxset mit über 10 Stunden Musik, das praktisch die gesamte beim Festival aufgenommene Musik enthält. Dieses massive Musikset wird in einer robusten Box geliefert, die das Originalcover trägt, mit den CDs auf extrem stabilen Kartoneinsätzen. Enthalten ist ein 32-seitiges Buch hauptsächlich mit Bildern und Original-Presseartikeln (auf Deutsch).

Das erste CD enthält die Festival-Bigband, die die Show eröffnet, sowie die folgenden Tracks des Dave Pike Sets, die fantastisch sind. Die Bigband verfügt über Trompeter Manfred Schoof, Posaunist Albert Mangelsdorff und Gitarrist Volker Kriegel, unter vielen anderen. Die Gruppen der energetischen Arrangements weichen dem Big-Band-Free-Playing, und ab Track drei bekommt man einen vollen Geschmack des köstlichen Chaos, das in der fragilen Balance von Freiheit und Struktur zu finden ist. Vibraphonist Pikes Gruppe, ebenfalls mit Kriegel, klingt wie ein europäisches Echo von Gary Burtons Arbeit am Scheideweg der 70er Jahre.

CDs 3-6 enthalten einige hervorragende Auftritte sowohl von bekannten als auch weniger bekannten Musikern. Ein Highlight ist das Set von Phil Woods und seiner European Rhythm Machine. Die Band des Altsaxophonisten bestand aus Bassist Henri Texier, Schlagzeuger Daniel Humair und Pianist Gordon Beck. Woods, obwohl er damals mehr für sein geradliniges Spiel bekannt war, experimentierte mit Free Jazz und Fusion, und meiner Meinung nach mit großem musikalischem Erfolg. Eine angenehme Überraschung sind einige der weniger bekannten Namen wie das Frankfurter Trio für Improvisation – nur Bass, Klarinette und Flöte liefern ein leicht zugängliches, stark improvisiertes Set, und “Just Music”, das Gegenteil – ein Sextett, dessen dunkle Töne von den Saiten fließen und aufgeregte Linien von den Hörnern stürzen.

Die CD 7 führt uns wieder zu den Schwergewichten: Saxophonist Peter Brotzmann mit Evan Parker und Willem Breuker an den Blasinstrumenten, Malcolm Griffiths und Paul Rutherford an der Posaune, Derek Bailey an der Gitarre und Han Bennink am Schlagzeug. Sie führen ‘Fuck Der Boere’ auf, das 2001 von Atavistic als Tracks auf dem gleichnamigen Album veröffentlicht wurde. Es ist eine klassische Darbietung und interessant, sie im Kontext all der anderen Gruppen zu hören. Noch immer sehr zeitgemäß: die verzerrten Gitarrenlinien, die lebendige Blechbläserarbeit und natürlich der patentierte Klang des Bandleaders machen es besonders. Die Abschlusstracks des Trios von Manfred Schoof sind am Ende der CD zu hören, und das schlanke Bass-, Schlagzeug- und Trompetentrio bietet einen schönen Kontrast zum vorherigen Track.

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