Das Lehrhaus-Erbe und warum es heute wichtiger ist denn je.

Das Lehrhaus-Erbe und warum es heute wichtiger ist denn je.

Franz Rosenzweig hatte seine Promotion abgeschlossen und stand kurz vor seiner Konversion. In einem assimilierten Zuhause aufgewachsen, plante er, den Schritten von Freunden zu folgen, die das Judentum für das Christentum verlassen hatten. Im Herbst 1913 entschied er sich jedoch, sein Judentum zu vertiefen, anstatt seinen ursprünglichen Plan der Konversion zu erfüllen. Mit dem Ausbruch des Krieges diente er in der Armee des Kaisers. In den Schützengräben begann der Denker, auf Postkarten zu schreiben, was letztendlich sein Klassiker “Stern der Erlösung” wurde, eine Synthese seiner deutschen und neu entdeckten jüdischen Verpflichtungen und ein neues Modell jüdischer Identität.

Die Gründung des Freien Jüdischen Lehrhauses vor 100 Jahren markierte eine radikale Intervention in das deutsche jüdische Leben. Rosenzweig und seine Mitstreiter in Frankfurt entwickelten eine Bildungseinrichtung und ein praktisches Modell, das darauf abzielte, westliche Juden anzusprechen, die dem Judentum fremd waren. Diese Bildungseinrichtung, ein überarbeitetes Beit Midrasch, traf sich in Gemeindegebäuden und gemieteten Sälen und war in der modernen jüdischen Bildungslandschaft einzigartig. Das Lehrhaus kombinierte kritische akademische Studien des Judentums mit Talmud Torah, um eine belebte Praxis des jüdischen Lehrens und Lernens für Erwachsene zu schaffen.

Rosenzweigs Prinzip des “Lernens in umgekehrter Reihenfolge” führte zu unkonventionellen Einstellungspraktiken. Assimilierte jüdische und jüdisch angehauchte Persönlichkeiten aus der deutschen intellektuellen und kulturellen Szene unterrichteten jüdisch verwandte Themen, obwohl sie oft nur begrenzte jüdische Kenntnisse besaßen. Der Lehrhof bot anerkannten und aufstrebenden intellektuellen Sternen eine Bühne, um ihr Denken über jüdische Texte und Ideen zu teilen. Die Frankfurter Lehrhaus erfreute sich eines großen Erfolgs, verlief jedoch nur von 1920 bis 1926 und wurde nach Rosenzweigs Erkrankung an ALS nicht fortgeführt.

Obwohl die Frankfurter Lehrhaus ein kurzlebiges Projekt war, inspirierte es die Gründung ähnlicher Einrichtungen in anderen Städten Deutschlands. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Erbe des Lehrhauses in verschiedenen Formen fortgeführt. Heute spiegeln Institutionen wie Limmud, emergente Gemeinden wie IKAR und Lehrhäuser wie Hadar und Paideia immer noch den Geist des Original-Lehrhauses wider. Darüber hinaus fordert Rosenzweig uns dazu auf, von Tradition zu lernen und diese im 21. Jahrhundert neu zu gestalten, um eine revitalisierte und sinnvolle jüdische Bildung zu schaffen.

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