Die Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung vergibt alle zwei Jahre den Preis „Wissenschaftler des Jahres“ sowie den „Public Service Fellowship-Preis“ an Forscher an der Goethe-Universität Frankfurt. Darüber hinaus vergibt der Präsident der Goethe-Universität jedes Jahr auch den „New Horizon Prize“. Zum ersten Mal wurden alle drei Preise gestern bei einer öffentlichen Preisverleihung zusammen verliehen. Die Gewinner sind: die Mikrobiologin Inga Hänelt, der Rechtsprofessor Indra Spiecker und der Erziehungswissenschaftler Lukas Gerhards.
Die drei gestern Abend an der Goethe-Universität ausgezeichneten Wissenschaftler „führen außergewöhnliche wissenschaftliche Arbeit durch und lassen gleichzeitig andere an den Ergebnissen dieser Wissenschaft teilhaben und profitieren“, wie Universitätspräsident Enrico Schleiff sagte, „eine Herangehensweise, die weit über den wirtschaftlichen Aspekt dieses Begriffs hinausgeht.“ Sie stehen somit für ein wesentliches Merkmal der Goethe-Universität, nämlich „dass wir die Schätze des Wissens, die wir gesammelt haben, nicht für uns behalten, sondern bewusst teilen: in der wissenschaftlichen Welt und – im Rahmen intelligent strukturierter Dialoge und mit modernen Methoden – mit der Gesellschaft.“
Der „Wissenschaftler des Jahres“ 2022 der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung geht an die Mikrobiologin Prof. Inga Hänelt für ihre herausragende Forschung und ihr starkes Engagement für die Förderung junger Talente. Die Heisenberg-Professorin, die am Institut für Biochemie der Goethe-Universität arbeitet, wurde für ihren Beitrag zur Erforschung von Prozessen, die es Bakterien ermöglichen, unter verschiedenen Stressbedingungen zu überleben, geehrt; speziell für ihre Arbeit zur mikrobiellen Kalium-Homöostase, d.h. die Prozesse, durch die Bakterien sich an salzige Umgebungen, Trockenheit oder extreme pH-Werte anpassen, indem sie Kalium aufnehmen oder freisetzen. Hänelts mehrfach ausgezeichnete Arbeit wird national und international hoch geschätzt und in den angesehensten wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht. Aufgrund ihrer hervorragenden Leistungen ist die Mikrobiologin auch Mitglied vieler Forschungsnetzwerke, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft betrieben werden. An der Goethe-Universität ist sie eine der Wissenschaftlerinnen, die für die SCALE (Subzelluläre Architektur des Lebens) Cluster-Initiative verantwortlich sind.
Inga Hänelt erhielt auch den alle zwei Jahre vergebenen „Wissenschaftler des Jahres“-Preis, der mit 25.000 € dotiert ist, für ihre hervorragende Mentorentätigkeit und Unterstützung junger Wissenschaftler. In ihrer laudatorischen Rede lobten die Mitglieder von Hänelts Arbeitsgruppe ihre Mentorin, deren Engagement für die Förderung junger Wissenschaftler weit über ihre eigene Arbeitsgruppe hinausreicht.
Der in diesem Jahr von der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung vergebene „Public Service Fellowship Prize“ ging an Prof. Indra Spiecker genannt Döhmann. Spiecker lehrt seit 2013 öffentliches Recht, Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt. Sie leitet das Datenschutz-Forschungszentrum und ist wissenschaftliche Leiterin des Instituts für europäische Gesundheitspolitik und Sozialrecht (ineges). Sie ist die erste Juristin, die Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften und der Technik (acatech) ist. Sie ist unter anderem Mitglied der Steuergruppe „Digitalisierung und Gesellschaft“ der Deutschen Nationalakademie der Wissenschaften Leopoldina. Indra Spiecker ist eine führende und international renommierte Rechtsexpertin, deren Forschung unter anderem auf den rechtlichen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten der digitalen Welt und den damit verbundenen Machtverschiebungen beruht. Im Rahmen dessen analysiert sie auch Entscheidungen in unsicheren Situationen oder die Beziehung zwischen Vertrauen und Konflikt, die im Mittelpunkt der ConTrust-Cluster-Initiative stehen. Spiecker wird von vielen Institutionen häufig als Expertin konsultiert, insbesondere zu rechtlichen Aspekten der Digitalisierung, einschließlich des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung, der Datenschutzbehörden oder der Bundesantidiskriminierungsstelle.
Der alle zwei Jahre von der Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung vergebene „Public Service Fellowship Prize“, dotiert mit 10.000 €, wird an Forscher der Goethe-Universität verliehen, die aktiv an wichtigen wissenschaftlichen oder wissenschaftspolitischen Gremien beteiligt sind. Das Preisgeld soll Projekte ermöglichen, die aufgrund des besonderen Engagements, das sie erfordern, nicht fortgesetzt werden konnten. Prof. Spiecker ist die vierte Person, die den Preis erhält – nach der Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen, dem Finanzwissenschaftler und ehemaligen Mitglied des Sachverständigenrats Prof. Volker Wieland und dem Mediziner und langjährigen Vorsitzenden des Sachverständigenrats für Gesundheit Prof. Dr. Ferdinand Gerlach. Die laudatorische Rede für Indra Spiecker genannt Döhmann wurde vom hessischen Justizminister Prof. Roman Poseck gehalten.
Der Gewinner des Präsidenten-Neu-Horizont-Preises 2023 ist der Inklusionsforscher Lukas Gerhards. Der mit 5.000 € dotierte Preis unterstützt junge Forscher an der Goethe-Universität, die in ihrer Forschung und ihrem Denken neue Wege gehen. Nach seinem Studium der Heilpädagogik hat sich der Doktorand Lukas Gerhards der Inklusionsforschung verschrieben. Im Rahmen seiner neurophilosophisch ausgerichteten Dissertation untersucht er beispielsweise, was Neurodiversität bedeutet, d.h. wie unterschiedliche Wahrnehmungen der Umgebung zustande kommen. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team des Inklusionsforschers Prof. Dr. Vera Moser spielt Lukas Gerhards eine führende Rolle im innovativen Forschungsnetzwerk „schAUT“ (Schule & Autismus), das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird. In Zusammenarbeit mit autistischen Menschen zielt das Projekt darauf ab, erstmals Barrieren für autistische Schüler in Schulen zu identifizieren und Möglichkeiten zu erforschen, diese zu überwinden. Welche Faktoren stören das Lernen autistischer Schüler? Erste Erkenntnisse zeigen, dass autistische und nicht-autistische Schüler von denselben Faktoren gestört werden – einschließlich hellem Licht und hohen Lärmpegeln – was bedeutet, dass alle von einer Reduzierung dieser Barrieren profitieren. Gleichzeitig fördert das Projekt auch den Wissenstransfer in die Gesellschaft: Es umfasst einen Barrierenfragebogen, ein Handbuch zur Nutzung des Tools sowie ein Schulungskonzept für Schulen und Informationsmaterial für die interessierte Öffentlichkeit.
Der Neu-Horizont-Preis wurde erstmals 2022 an die Wirtschaftspädagogin Dr. Christin Siegfried verliehen.
Die Alfons und Gertrud Kassel-Stiftung wurde 2007 mit dem Ziel gegründet, Wissenschaft, Forschung und Lehre an der Goethe-Universität zu fördern. Sie basiert auf einem Vermögen, das ihr Gründer, Gertrud Kassel, vermacht hat. Die Stiftung unterstützt zahlreiche Universitätsprojekte.
Die Preisträger bei der gestrigen Preisverleihung auf dem Westend-Campus. Von links nach rechts: Gunther Ruppel (Vorsitzender des Vorstands der Alfred und Gertrud Kassel-Stiftung), Lukas Gerhards (New Horizon-Preisgewinner), Prof. Inga Hänelt (Wissenschaftler des Jahres-Preisträgerin), Universitätspräsident Prof. Enrico Schleiff und Prof. Indra Spiecker genannt Döhmann (Public Service Fellowship-Preisträgerin).