Frankfurter Banker: Wohin sind all die Jungs gegangen? | Joris Luyendijk in Frankfurt

Frankfurter Banker: Wohin sind all die Jungs gegangen? | Joris Luyendijk in Frankfurt

Ein Mann in seinen frühen 30ern, der früher in London gelebt hat und seit einigen Jahren in der Finanzdienstleistungsbranche in Frankfurt arbeitet, führt einen Unterschied zwischen den beiden Städten vor Augen. Anstelle von jungen Bankern, die in London draußen stehen, trinken, rauchen und scherzen, findet er sich in Frankfurt in einer ruhigen Kneipe namens Mutter Ernst wieder, in der Nähe des Finanzviertels. Trotz der Präsenz großer Banken wie Commerzbank, JP Morgan, Credit Suisse und RBS in der Umgebung ist die Straße um sechs Uhr abends verlassen.

Er erklärt, dass Frankfurt im Vergleich zu London eine ruhigere und kulturell anders geprägte Bankenlandschaft bietet. Während Frankfurt eine reiche Opernszene und Konzerte bietet, fehlt hier die “Jungs-Kultur”, die man in London vorfindet. Insiderinformationen über die Finanzbranche werden in Frankfurt weniger öffentlich geteilt, da es weniger Menschen in bestimmten Nischen gibt, die ihre Identität verbergen können. Frankfurt wird als ruhigerer und zurückhaltenderer Cousin von London beschrieben, der jedoch in Bezug auf die Deregulierung im Bankenwesen hinterherhinkt.

Der Mann erklärt, dass die Finanzwelt in Frankfurt stärker mit der gesamten Wirtschaft verbunden ist als in London. Die deutsche Bankenlobby hat in Frankfurt weniger politisches Gewicht als in London, was dazu führt, dass die politischen Entscheidungen, wie die Finanztransaktionssteuer, in Deutschland beliebter sind. Deutsche Banker neigen dazu, risikoaverser zu sein und agieren in einer Umgebung, in der Bescheidenheit und Langzeitbeziehungen geschätzt werden. Trotz einiger Risikoinvestitionen in den USA durch deutsche Banken, haben viele von ihnen diese Produkte nicht verstanden, was teilweise zur Finanzkrise beitrug.

Er bestätigt auch das Stereotyp, dass Frankfurter in Deutschland als arrogant und prahlerisch wahrgenommen werden, aufgrund der Luxusgeschäfte und der vielen Porsche-Autos in der Stadt. Trotzdem fehlt es in Frankfurt an der offenen Wut, die man in anderen Städten sehen kann.

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