Frankfurter Lektionen: Bücher sind nicht per se eine positive Kraft

Frankfurter Lektionen: Bücher sind nicht per se eine positive Kraft

Analyse

Am vergangenen Wochenende herrschte auf der Frankfurter Buchmesse, der weltweit größten Handelsmesse der Verlagsbranche, eine Art Massenhysterie. Am Abend brachen Schlägereien zwischen Fremden an den leeren Ständen aus, und bei Buch-Präsentationen flogen die Fäuste. Der Titel des deutschen Textes, der hinter dem Großteil des Fervors stand, war “Mit Linken leben”, veröffentlicht vom rechtsgerichteten Antaios-Verlagshaus. Aber auch die Präsenz von Björn Höcke, einem rechtsgerichteten Politiker der Alternative für Deutschland, brachte die Menge in Aufruhr. Das Buch war eine hastig geschriebene Antwort auf ein anderes Buch mit dem Titel “Mit Rechten reden”, veröffentlicht von Klett-Cotta, einem rivalisierenden Verlag. Der Titel des letzteren Buches war ernst gemeint: ein Aufruf zu einer bedeutungsvollen Debatte anstelle der Marginalisierung von politischen Gegnern. Dieser Appell mag angesichts des Radaus jetzt wie ein frommer Wunsch erscheinen, aber er ist gerechtfertigt.

Seit der Veranstalter der Frankfurter Buchmesse, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, keinem legalen Verlag einen Stand verweigern oder Bücher ablehnen darf, die bei den politischen Rechten beliebt sind. Ebenso darf der Verband keine jungen Männer in neonazistischer Uniform und Kampfstiefeln verbieten, solange sie niemanden angreifen. Das Gleiche gilt für Mitglieder der Antifa, die zur Messe gekommen sind, um mehr als nur Slogans zu skandieren. Überall müssen Buchmessen das Risiko eingehen, dass es zu Schlägereien kommt, wenn sie sich an das Gesetz halten und nicht einfach die Verdächtigung, dass jemand Ärger verursachen könnte, als Kriterium für einen Ausschluss verwenden.

Wenn Schläger und Leser eins sind. Im Vorfeld der Veranstaltung hatten einige Menschen gefordert, dass die Frankfurter Buchmesse rechtsextreme Verlage ausschließt. Ihre Forderungen wurden angesichts der Kämpfe vom Wochenende noch nicht rückwirkend validiert. Hätte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels solchen Forderungen nachgegeben, hätte er nur die Propaganda der Rechten befeuert, die sich als Opfer der Mainstream-Medien ausgeben. In der Hysterie über die Nähe von Büchern und Schlägern landet die Verlagsbranche häufig auf ihrem hohen Ross und propagiert einen bekannten Mythos.

Zeitungen, Zeitschriften, Bücher können ein Feuer entfachen. Selbst unterhalb der strafbaren Grenze des Hasses haben sie genauso viel Potenzial, die Weltanschauungen ihrer Leser zu verkleinern wie zu erweitern. Sie können genauso leicht Emotionen schüren wie Argumente stärken. Dies ist eine Binsenweisheit, die sich heute in Deutschland vor aller Augen manifestiert. Sie trat lange vor den Fäusten auf der Frankfurter Buchmesse auf.Der Kampf traf die Veranstaltung nicht von äußeren Kräften und hätte nicht durch den Ausschluss von Radikalen und Reaktionären vermieden werden können. Aber letztendlich verbietet man nicht die Bücher, man verhaftet die Schläger.

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