Während der Fahrer schnell über die Hamburger Elbbrücken fährt, bleibt sein Blick gefährlich lange auf einem massiven Betonskelett haften. Die halbfertige Struktur des Elbtowers in der Hafencity, der bald das höchste Gebäude Deutschlands außerhalb von Frankfurt werden soll, ist bereits in diesem Stadium ein einschüchterndes Denkmal.
Nach dem Zusammenbruch von René Benkos Immobilienimperium wird dieser Anblick wahrscheinlich eine Weile unverändert bleiben. Der Bau im Hafen ist zum Stillstand gekommen, seit die Signa Group Insolvenz angemeldet hat. Dennoch können selbst die enthusiastischsten Bewunderer des morbiden Charmes alter Ruinen verstehen, dass die Hansestadt nicht den unvollendeten Zustand dieses Prestigebaus aufrechterhalten möchte. Hamburg sucht mit Nachdruck nach einem neuen Projektentwickler, um den Elbtower schnell fertigzustellen.
Immobilienkrise
Die grassierende Immobilienkrise lähmt den Fortschritt auf immer mehr großen Baustellen im ganzen Land. Nicht nur der Zusammenbruch des Signa-Konglomerats stört schöne Skyline-Träume. Die gesamte Branche ist aufgrund explodierender Finanz- und Materialkosten in der Bredouille. Insbesondere Projektentwickler, die oft die größten Risiken tragen, können dem Druck von Inflation, Rezession und Zinserhöhungen nicht mehr standhalten.
Im Herzen der Frankfurter Innenstadt nimmt dieses Drama eine einzigartige Wendung. Im vergangenen August meldete die Gerchgroup Insolvenz an, die zumindest vier von neun großen Projekten des Immobilienentwicklers teilweise betrifft. Die aufwendige Wiederbelebung des historischen Polizeipräsidiums in Frankfurt war zunächst nicht betroffen. Aber die Hoffnung währte nicht lange. Es wurde kürzlich enthüllt, dass die Unternehmen, die für die Entwicklung des erstklassigen Anwesens in Laufnähe der glitzernden Banktürme verantwortlich sind, ebenfalls bankrott sind.
Beeindruckende Mischung aus Neo-Barock und Neoklassizismus
Viele Frankfurter mögen über die neueste Wendung in der Sage um das vernachlässigte Gebiet nicht allzu traurig sein. Das 1914 fertiggestellte Polizeipräsidium, mit seiner beeindruckenden Mischung aus Neo-Barock und Neoklassizismus, gehört schon lange zu den markantesten “lost places” des Landes. 22 Jahre lang dem Verfall überlassen, dient das architektonische Denkmal sowohl als dystopischer Filmset als auch als romantisch morbides Freiluftkino. Hobbyfotografen machen regelmäßig Fotosafaris durch die künstlerisch verfallenden Korridore, und Historiker führen faszinierte Besucher durch die steinernen Zeugnisse der Stadtgeschichte.
Es scheint, dass diese kulturellen und touristischen Attraktionen noch eine Weile bestehen bleiben werden. Die Umwandlung des 15 Hektar großen Gebiets in ein weiteres poliertes und seltsam steril neues Viertel in Frankfurt – wie ursprünglich für 2026 geplant – ist nun völlig ausgeschlossen.
In der Zwischenzeit erkundet die Stadt derzeit ängstlich Alternativen, da dringend benötigter sozialer Wohnungsbau in dem neuen Viertel entwickelt werden soll. Angesichts der düsteren Stimmung in der Immobilienbranche sind die Erfolgsaussichten ungewiss. Vorläufig bleibt das alte Polizeipräsidium entweder ein Ärgernis oder ein mystisch verwitterter “lost place” – je nach Perspektive.