Es ist sechs Uhr im Frankfurter Bahnhofsviertel und der Arbeitstag ist vorbei. An einem mit Graffiti bedeckten Kiosk treffen sich Alex und Jakob auf ein Getränk. Jakob, der einen ordentlich gebügelten Anzug trägt, arbeitet in einer Bank. Alex trägt Shorts, Turnschuhe und ein Fußball-T-Shirt und arbeitet als Installateur. “Gas, Wasser und Scheiße”, erklärt er. Weder Alex noch Jakob werden am Mittwoch arbeiten. Sie werden in Sevilla sein, um ihr geliebtes Eintracht Frankfurt im Europa-League-Finale gegen die Rangers zu sehen. Wie jeder in dieser Stadt sind sie bereits voller Nerven.
Hinter ihnen ist die Wand mit Stickern verklebt, die meisten davon Eintracht-Themen. “Eine Stadt, Ein Verein”, steht auf einem von ihnen. Ein Verein für die ganze Stadt. Eintracht ist überall präsent in dieser Stadt. Auf Stickern, in Werbungen, sogar auf der Dose mit lokalem Apfelwein, aus der Jakob trinkt. Jeder in dieser Stadt – Banker, Mechaniker, die Süchtigen, die auf den Straßenecken schlafen – ist ein Eintracht-Fan. Frankfurt ist eher wie mehrere Städte, die auf engstem Raum verpackt sind. Weniger als eine Million Menschen leben hier, und dennoch ist es fast so vielschichtig wie London, Paris oder New York.
In einigen Aspekten ist Frankfurt jedoch die “deutscheste” aller deutschen Städte. Hier wurde 1848 das erste nationale Parlament gegründet, wo Schwarz-Rot-Gold zu den Farben der nationalen Demokratie wurden. Das Stadtwappen trägt immer noch den Bundesadler, weshalb Eintracht auch die Adler genannt wird. Ihr Maskottchen, ein Greifvogel namens Attila, wurde diese Woche die Einreise nach Spanien verwehrt. Doch trotz all dieser deutschen Wurzeln ist Frankfurt auch im Wesentlichen eine globale Stadt. Ein Schriftsteller und Aktivist, Imran Ayata, sagt, dass Frankfurt eine durch und durch europäische Stadt sei. Eine deutsche Stadt mit internationalem Flair.Hier bei Eintracht Frankfurt war und ist immer noch der Gastarbeiterverein, etwas, das zum international geprägten Frankfurt passt. Während seines Studiums hier in den 1990er Jahren verliebte sich Ayata in Eintracht. Damals waren sie der erste deutsche Verein mit echtem internationalen Flair.
Ayata erinnert sich an Demonstrationen gegen die Wiedervereinigung Deutschlands im Jahr 1990 und an die berühmte “Frankfurter Schule”, wo Denker wie Theodor Adorno, Max Horkheimer und Jurgen Habermas die Theorien entwickelten, die die deutsche Nachkriegsidentität prägten. Erik Dullnig, ein bekennender Fußballfan, steht mit seiner Mannschaft im Europa-League-Halbfinale.
Auch jetzt, wo viele Jahre vergangen sind, denken viele Fans noch mit Wehmut an jene Zeit zurück. Schließlich war es ein Sieg der reinsten Art – ein Sieg für die jetzt fast vergessene Fußballepoche. Und doch bildet sich heute eine neue Tradition rund um Eintracht Frankfurt…